Seeing Red
Billy Apple ( USA/ NZ) – Frank Badur (DE) – Ronald de Bloeme (NL) – Wernher Bouwens (NL) – Nuria Fuster (ES) – Daan van Golden (NL) – Hermann Glöckner (DE) – Joachim Grommek (DE) – JCJ van der Heyden (NL) – Olaf Holzapfel (DE) – Callum Innes (GB) – Andrey Klassen (RUS) – Yayoi Kusama (JP) – Tad Mike (USA) – Judy Millar (NZ) – Thomas Müller (DE) – Hester Oerlemans (NL) – Ragna Robertsdottir (IS) – Han Schuil (NL) – Ben Sleeuwenhoek (NL)
Eröffnung: Freitag, 17. Februar, 18 Uhr
Austellungsdauer: 17. Februar – 24. März 2012
Rot schirmt sich ab. Keine Farbe ist so territorial. Es steckt sein Revier ab, ist auf der Hut gegenüber dem Spektrum. Derek Jarman
Seeing Red ist die letzte Ausstellung der Hamish Morrison Galerie in den Räumen in der Heidestrasse. Wir freuen uns außerordentlich, diese schon seit langem geplante Gruppenausstellung zum Thema Rot in der Kunst zu diesem Anlass präsentieren zu können.
Seit der Gründung der Galerie war es Hamish Morrison immer ein vorrangiges Anliegen, neben der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit einem festen Künstlerkreis, dem Berliner Publikum Werke von Künstlern, die selten oder nie in Berlin ausgestellt wurden, vorzustellen. Auch für Seeing Red ist es ihm gelungen, Künstler, wie die in den Niederlanden überaus arrivierten Maler Daan van Golden und JCJ van der Heyden, sowie den Pop Konzeptkünstler Billy Apple, dessen Debutausstellung 1963 in London bereits den Titel Apple sees red trug, zu gewinnen.
Rot, sagt man, sei die erste Farbe, der Menschen einen Namen gaben, die älteste Farbbezeichnung in den Sprachen der Welt. Es wird sogar vermutet, dass es sich in grauen Vorzeiten um die einzige, vom menschlichen Auge erkennbare Farbe gehandelt haben könnte. Das mag an der roten Farbe des Blutes gelegen haben oder an der Notwendigkeit, reife von unreifen Früchten unterscheiden zu können. Wie dem auch sei, die Farbe Rot wurde früh zu kultischen Zwecken verwendet und es wird ihr seit jeher eine nahezu magische Wirkung zugeschrieben.
Adam konnte dem roten Apfel nicht widerstehen, Esau wollte von dem roten Gericht essen, Parzival erkämpfte sich eine rote Rüstung, Karen riskierte ihre Seele für die roten Schuhe, der Wolff gierte nach dem Mädchen mit dem roten Käppchen. Jenes rote Käppchen eines roten Regenmantels war es auch, dem Donald Sutherland in dem unvergesslichen Film Don´t look now durch das winterliche Venedig folgte und das ihn zu seinem schrecklichen, blutigen Ende lockte. Es gibt unzählige Geschichten, die als Beispiele für die fatale Faszination, welche die Farbe Rot auf uns auszuüben vermag, dienen können.
Lange Zeit war das Tragen von roter Kleidung, vor allem in der europäischen Kultur, den Reichen und Mächtigen vorbehalten. Welche Kräfte der Farbe Rot auch in der Kulturgeschichte der Menschheit zugeschrieben werden und wurden; die Bedeutung der Farbe Rot in den unterschiedlichen Kulturen reicht von Reichtum, Glück, Weiblichkeit und Stärke bis hin zu Trauer in einigen afrikanischen Ländern; es handelt sich fast ausschließlich um sehr eindeutige, unumstößliche Positionen. Rot scheint keine Einwände zu dulden, nicht im positiven und nicht im negativen Sinne, nicht in kalter und nicht in warmer Temperatur.
In der christlichen Auftragskunst des Mittelalters war Rot die Farbe des Martyriums, der Leiden Christi und somit auch der Abbildung biblischer Szenen, kirchlicher Würdenträger und des, durch die Kirche eingesetzten Adels vorbehalten, aber es war auch die Farbe der Verruchtheit und der Sünde. Martyrium und Sünde sind die zwei roten Pole der Welt des europäischen Mittelalters. Das zu Reichtum und Macht gekommene Bürgertum der Renaissance war bestrebt, seinen Anspruch auf Gleichstellung mit dem Adel zu unterstreichen und ließ sich bevorzugt in kostbarer, roter Kleidung porträtieren.
Mit der zunehmenden Unabhängigkeit der Künstler von ihren Auftraggebern individualisierte sich auch der Gebrauch von Farben. Die verwendeten Rottöne imitierten zunächst jene, die in den jeweiligen Motiven der Künstler tatsächlich zu finden waren. Matisse endlich spricht von der „eigenen Schönheit der Farbe, die es zu bewahren gilt, wie man in der Musik die Klangfarben beizubehalten sucht“. Er ist der Überzeugung „die Farbe existiert an und für sich“ und an anderer Stelle sagt er: „Ich habe mich der Farbe bedient um ein Gefühl auszudrücken“. Für Kandinsky ist es die Form, die unabhängig existieren kann, nicht aber die Farbe: „Die Farbe lässt sich nicht grenzenlos ausdehnen. Man kann sich das grenzenlose Rot nur denken oder geistig sehen, (…). Wenn aber Rot in materielle Form gegeben werden muss (wie in der Malerei), so muss es 1. einen bestimmten Ton haben aus der unendlichen Reihe der verschiedenen Rot gewählt (…) und 2. muss es auf der Fläche abgegrenzt werden…“ Kandinsky war der Ansicht, dass bestimmte Farben durch bestimmte Formen in ihrem Wert und Charakter unterstrichen werden, so ordnete er der Farbe Rot die Form des Quadrates zu.
„Gäbe es nur eine Wahrheit, könnte man nicht hundert Bilder zum gleichen Thema malen.“ Was Picasso über die Wahrheit sagt, scheint für die Wirkung und Rolle der Farbe in der Kunst insgesamt und damit der Farbe Rot gleichermaßen gültig. Ob wir uns von den durch zahlreiche Asienaufenthalte inspirierten Rottönen eines Frank Badur Gemäldes gefangen nehmen lassen, oder uns dem intensiven Rot eines riesigen Tafelbildes von Ronald de Bloeme aussetzen, ob wir über die Veränderungen sinnieren, die dem Rot widerfahren, sobald es sich mit Schwarz konfrontiert sieht, wie z.B. in der großformatigen Arbeit von Judy Millar, oder uns auf die existentiellen Wurzeln der roten und weißen Polka Dots der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama einlassen, die Anmutungen der Farbe Rot bleiben faszinierend komplex und rätselhaft.
Die Ausstellung Seeing Red lädt nun ein, unsere eigenen Betrachtungen anzustellen. Gemeinsam ist allen Kunstwerken die Verwendung der Farbe Rot. Dem Besucher wird hier die seltene Gelegenheit geboten über eine Farbe in der Kunst zu reflektieren, über die schon so Vieles gesagt wurde, und die doch das Geheimnis ihrer Faszination sorgfältig hütet. Nur eines kann man mit Sicherheit sagen, kalt lässt sie niemanden.
Hamish Morrison Galerie
Heidestrasse 46-52
10557 Berlin, Germany
www.hamishmorrison.com